Die Philippinen in der Covid19-Pandemie
Ein Rückblick: Die Philippinen in der Covid19-Pandemie
Die Covid19-Pandemie hatte auch auf den Philippinen vielfältige und tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesellschaft – insbesondere für Kinder und Jugendliche. Mehr als 66.000 Menschen sind hier an Covid19 gestorben. Die Regierung versuchte mit sehr strikten Maßnahmen, das Virus unter Kontrolle zu bekommen. Wir möchten euch u.a. anhand von persönlichen Beispielen einen Einblick geben, wie die Philippinen durch diese einschneidende Zeit gekommen sind und welche Auswirkungen die Pandemie auf die Arbeit von PREDA hatte.
Maßnahmen gegen Covid19
Präsident Rodrigo Duterte hatte das Virus zunächst nicht ernst genommen und das Land dann von einem auf den anderen Tag dicht gemacht. Er setzte den striktesten und längsten Lockdown weltweit durch. Es herrschte eine Ausgangssperre und ein Alkoholverbot. Geschäfte und Restaurants waren geschlossen. Der Flug- und Nahverkehr wurde eingestellt, das öffentliche Leben lag brach. Soldat*innen und Polizist*innen patrouillierten in den Straßen insbesondere größerer Städte, Checkpoints wurden eingerichtet, um Verstöße gegen den Lockdown zu ahnden: tausende Menschen wurden eingesperrt, mehrere Menschen von der Polizei sogar erschossen. Nur einem Mitglied pro Familie war es zu einem bestimmten Zeitpunkt einmal pro Woche erlaubt, auf dem Markt und in Supermärkten Lebensmittel einzukaufen. Bürger*innen benötigten Genehmigungen, um das Haus zu verlassen und in die nächste Stadt zu fahren. Nur Personen, die der kritischen Infrastruktur zugeordnet wurden, bekamen eine entsprechende Genehmigung und die Mitarbeitenden von PREDA gehörten aufgrund der Therapiezentren zum Beispiel dazu.
Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche
Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche
Anders als die meisten anderen Länder sahen die Philippinen Kinder als besonders vulnerable Gruppe für Covid19 an. Daher wurden die rund 40 Millionen Filipinos und Filipinas, die unter 18 Jahre alt sind, einem dauerhaften Lockdown ausgesetzt, der offiziell von März 2020 bis August 2022 andauerte. Präsident Rodrigo Duterte riet den Eltern, die Kleinen vor den Fernseher zu setzen. Erst zwei Jahre später im August 2022 öffneten Schulen wieder ihre Türen – allerdings weiterhin verbunden mit Beschränkungen wie Masken, Temperaturchecks und einer limitierten Anzahl an Schüler*innen pro Klassenzimmer.
Direkt zu Beginn der Pandemie hatte die Regierung ein „distance-learning program“ ausgerufen, das entweder online Unterricht oder Selbststudium mit ausgedruckten Materialien vorsah. Dies führte zu erheblichen Nachteilen für Kinder aus ärmeren und ländlichen Regionen. Nur ca. 18% der Haushalte auf den Philippinen haben eine Internetverbindung zu Hause. Ein Kollege von PREDA sagte uns: „Die Philippinen sind nicht bereit für home schooling. Es gibt vor allem in den ländlichen Regionen keine zuverlässigen Internetverbindungen und ein großes Problem ist auch die Ausstattung mit Laptops und Smartphones – nicht jedes Kind hat Zugriff darauf, vor allem in großen Familien, in denen theoretisch parallel Unterricht für mehrere Kinder stattfinden sollte.“
Neben den Bildungslücken zeigten sich Organisationen wie UNICEF besorgt über die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sowie über die erhöhte Rate und noch höhere Dunkelziffer an Vorfällen von sexualisierter Gewalt in Familien.
Ökonomische Auswirkungen
Durch die Pandemie steckten die Philippinen erstmals seit Jahrzehnten in einer tiefen Rezession, da die Wirtschaft kollabierte. In den ersten sechs Monaten der Pandemie verloren rund 7,3 Millionen Filipinos und Filipinas ihren Job. Anstellungsverhältnisse in bereits eh schon vulnerablen (Arbeits-) Kontexten wurden von den Auswirkungen der Pandemie besonders getroffen. Insbesondere Tagelöhner wurden durch den plötzlichen Lockdown in extreme Armut katapultiert.
In Stadien, Bahnhofshallen und Flughafengebäuden campierten Bedürftige, denn soziale Leistungen wie Arbeitslosengeld gibt es in dem 100-Millionen-Einwohner Staat nicht. Umgerechnet 163 Dollar als einmalige Soforthilfe hatte die Regierung versprochen, doch die Verteilung funktionierte nicht überall gleich gut. In der Region von PREDA bekamen Familien pro Woche Essensspenden wie bspw. einen Sack Reis – dies ist für große Familien nicht unbedingt ausreichend.
Beruflich und einkommenstechnisch war der breite Querschnitt der philippinischen Gesellschaft von der Pandemie betroffen. Neben Tagelöhner*innen hatten auch sehr gut ausgebildete Personen teilweise mit großen finanziellen Verlusten zu kämpfen: eine uns bekannte Hautärztin erzählte von ihrer dermatologischen Praxis, die sie während der Pandemie schließen musste, da niemand mehr zur Vorsorge gehen konnte – aufgrund der eingeschränkten Bewegungsfreiheit aber auch aufgrund deutlich begrenzterer finanzieller Mittel. Da sie weiterhin die Miete für die Praxisräume bezahlen musste, ist sie mittlerweile hoch verschuldet.
Mit Covid19 in Quarantäneeinrichtung und Krankenhaus
Wer sich mit Covid infiziert hatte, musste in einer Quarantäneunterkunft untergebracht werden. Das Haus der Familie wurde dann für 14 Tage ebenfalls unter Quarantäne gestellt und von den Behörden mit entsprechenden Plakaten an den Hauswänden versehen, um andere Bürger*innen über die Covid19-Fälle zu informieren.
Das philippinische Gesundheitssystem war bereits vor der Pandemie angegriffen, die Kliniken vielfach auch damals schon überlastet und viele Filipinos und Filipinas haben keine Krankenversicherung, weil sie sich diese nicht leisten können.
Aus Angst, im Krankenhaus oder der Quarantäneeinrichtung allein zu sterben, haben viele Bürger*innen versucht, ihre Infektion geheim zu halten und sich in ihrem eigenen zu Hause so gut es ging von Familienmitgliedern zu isolieren. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse war dies jedoch häufig nicht möglich und hat oft dazu beigetragen, dass sich im Dominoeffekt die gesamte Familie infizierte.
Ein Freund berichtet, dass er selbst zunächst in einer Quarantäneunterkunft war und schließlich drei Tage lang im Krankenhaus beatmet werden musste. Die Krankenhäuser waren völlig überlastet, er konnte erst nach einigen Stunden in einem Bett im Freien untergebracht werden. Zwischendurch gab es Mangel an Sauerstoff, da mussten die Pfleger*innen die Luftzufuhr manuell steuern. In den Betten neben ihm starben Menschen an Covid19 – das Bild der Leichensäcke, die neben ihm zugezogen wurden, hat sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt.
Einreisebeschränkungen und OFWs (Overseas Filipino Workers)
Die Philippinen hatten eine der strengsten Einreisebeschränkungen eingeführt und ließen kaum mehr Ausländer*innen ins Land – mit fatalen Folgen für die gesamte Tourismusindustrie, die einen der größten Wirtschaftszweige der Philippinen darstellt.
Zudem waren viele Filipinos und Filipinas, die im Ausland arbeiten, von den plötzlichen Lockdowns und damit einhergehenden weltweiten Aus- und Einreisebeschränkungen betroffen. Die philippinische Regierung bemühte sich darum, möglichst viele der sogenannten OFWs zurück auf die Philippinen zu holen. Gleichzeitig kam es zu einem Einbruch von 75% weniger Entsendungen ins Ausland, was enorme finanzielle Einbußen für die Philippinen zur Folge hatte, denn die Remittances der OFWs steuern einen großen Teil zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Auswirkungen bis heute
Insgesamt hat die Pandemie sehr deutliche Spuren in der philippinischen Gesellschaft hinterlassen. Preise bspw. für Lebensmittel sind dauerhaft gestiegen, die Inflation ist immens. Viele Bürger*innen haben kein (festes) Einkommen mehr, die Tourismusbranche erholt sich nur langsam – viele Restaurants und Unterkünfte bleiben dauerhaft geschlossen. Hinzu kommen die auch hier spürbaren Auswirkungen durch den Ukraine-Russland-Krieg und die dadurch enorm gestiegenen Spritpreise.
Auffällig ist, dass nach wie vor viele Menschen in der Öffentlichkeit Maske tragen, obwohl es nicht mehr verpflichtend ist. Auch Temperaturmessungen in Hotels und sonstigen touristischen Attraktivitäten sind noch üblich.
Was hat sich bei PREDA durch die Pandemie verändert?
Die Center von PREDA waren eine der wenigen Einrichtungen in der Region, die während der gesamten Pandemie geöffnet blieben und auch neue Klient*innen aufnahmen. Dies war insbesondere wichtig, um die Überlebenden von sexualisierter Gewalt, deren Täter meist aus der direkten Familie stammen, zu unterstützen und nicht permanent ihren Tätern auszusetzen. Denn ähnlich zum weltweiten Trend, ist die Zahl von sexualisierter Gewalt in Familien durch den langen und strikten Lockdown aufgrund der Pandemie auch auf den Philippinen drastisch gestiegen – die Dunkelziffer dürfte auch hier nochmal deutlich höher sein.
Der tägliche Ablauf in den Centern musste an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. So unterstützten die Mitarbeitenden die Mädchen beim home schooling. Bis jetzt sind die Schulzeiten nicht wieder wie vor der Pandemie, die meisten Mädchen und Jungs gehen nur einmal pro Woche zur Schule und müssen in der Zwischenzeit im Selbststudium eine Palette an sogenannten Modulen erledigen.
Neben der Prostitution vor Ort in den vielen Sexbars im Gebiet rund um PREDA hat sich ein großer Teil dieses Geschäfts auf das Internet verlagert. PREDA verfolgt diesen Trend schon länger und setzt neue Projekte um, um die minderjährigen Überlebenden dieser Form des Menschenhandels ausfindig zu machen und in ihrem Kampf um Gerechtigkeit sowie bei ihrer Therapie zu unterstützen.
Gefängnisbesuche wurden während der Pandemie zunächst eingeschränkt und schließlich von den Behörden nicht mehr erlaubt. So lag das PREDA-Projekt, welches das Ziel hat, Kinder und Jugendliche aus den schlechten Bedingungen in den Gefängnissen für Therapie und Rehabilitation in den Offenen Zentren von PREDA unterzubringen, eine Zeit lang gezwungenermaßen auf Eis.