Nach 10 Jahren zurück auf den Philippinen
– was hat sich in Gesellschaft und Politik verändert?
Ein Blogbeitrag von Laura, Mitglied im PREDA Freundeskreis
Bewusst mit einem Abstand von einem Jahrzehnt an einen Ort zurückzukehren – eine Premiere für mich, als ich Anfang Januar, 10 Jahre nachdem ich das erste Mal für einen Kurzzeit-Freiwilligendienst bei PREDA war, auf die Philippinen zurückgekommen bin.
Vieles verändert sich in einem Jahrzehnt. Manches ist direkt auf den ersten Blick offensichtlich, anderes stellt sich erst in Gesprächen mit philippinischen Freund*innen und Kolleg*innen heraus. Im folgenden Blogbeitrag möchte ich Euch einen subjektiven Einblick geben, was sich in Gesellschaft und Politik auf den Philippinen seit 2012 verändert hat:
Politik
Als ich 2012 auf den Philippinen ankam, war Begnino Aquino der Präsident des Inselstaats (Amtszeit von 2010 – 2016). 2016 wurde Rodrigo Duterte zum Staatsoberhaupt gewählt. Er schränkte die Spielräume für Menschenrechtsverteidiger*innen enorm ein und begann seinen „war on drugs“ – den Krieg gegen die Drogen, bei dem schätzungsweise zwischen 12.000 – 30.000 Menschen in außergerichtlichen Tötungen umgebracht wurden. Im vergangenen Jahr wurde schließlich der Sohn des ehemaligen Diktators Ferdinand Marcos, der von 1965 bis 1986 an der Macht war und 1986 nach einem Volksaufstand das Land verlassen musste, Präsident. Bongbong Marcos ist nun seit fast einem Jahr der neue Präsident der Philippinen – die Geschichte der Diktatur ließ er im Wahlkampf mit Hilfe von Trollarmeen bei Facebook und durch strategische Kooperationen mit mächtigen Familien-Dynastien umschreiben. Die Kooperationspartnerin ist keine Unbekannte, denn Marcos ging im Duo mit der Tochter von Ex-Präsident Duterte, Sara Duterte als Vizepräsidentin in den Wahlkampf. Politisch hat das Land im letzten Jahrzehnt also einige Veränderungen durchgemacht – und doch sind zugrundeliegende Strukturen und Dynamiken wie bspw. die Macht der großen Familiendynastien geblieben.
Covid19-Pandemie
Die Covid19-Pandemie, hat die Philippinen sehr stark getroffen. Mehr als 66.000 Menschen sind hier an dem Virus gestorben. Die Regierung versuchte mit sehr tiefgreifenden Maßnahmen, das Virus unter Kontrolle zu bekommen. So blieben Schulen für beinahe zwei Jahre komplett geschlossen und Kinder durften ihr Zuhause nicht verlassen. Wie die Philippinen insgesamt durch die Pandemie gekommen sind und welche Auswirkungen die Pandemie auf die Arbeit PREDAs hatte, lest ihr in einem der vorherigen Blogartikel.
Internet & Smartphones
2021 verbrachten die Filipinas und Filipinos das 6. Jahr in Folge weltweit am meisten Zeit im Internet und in den sozialen Medien. Der Großteil der Filipinos und Filipinas besitzt ein Smartphone. WLAN und mobile Daten sind fast überall vorhanden – außer in den abgelegeneren ländlichen Regionen, in denen viele indigene Völker leben. Facebook ist sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext immer noch die wichtigste Social Media Plattform: 2017 hatten 97% der Filipinos und Filipinas ein Profil bei Facebook. TikTok liegt ebenfalls stark im Trend. Der Facebook Messenger ist das wichtigste Kommunikationsmedium.
Klimawandel
Die Philippinen sind eines der Länder, die weltweit am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Im November 2013 tobte Taifun Haiyan insbesondere auf der Visayas-Inselgruppe im Zentrum der Philippinen. Es war einer der stärksten tropischen Wirbelstürme, die seit Beginn verlässlicher Wetteraufzeichnungen beobachtet wurden. 6.340 Menschen kamen durch den Sturm ums Leben, es entstanden Sachschäden in Höhe von 2,86 Milliarden USD.
Im Dezember 2021 wütete der zweitstärkste Sturm, Supertaifun Odette, und richtete enorme Zerstörungen auf der Insel Siargao, den Visayas und Palawan an. 393 Menschen kamen ums Leben, Sachschäden in Höhe von 737 Mio. USD wurden dokumentiert.
Obwohl es auf den Philippinen sehr gute Warnsysteme und Evakuierungsmöglichkeiten für Taifune gibt, richten sie mit ihrer enormen Wucht trotzdem extreme Schäden an. Eine Kollegin berichtet, wie in Folge von Taifun-Warnungen häufig alle Hotels in der Nähe ausgebucht sind, da dies meist die stablisten Gebäude sind, in denen sich Anwohner*innen neben den zentralen Evakuierungsstellen in Sicherheit bringen.
Neben Taifunen sind die Philippinen verstärkt Dürren, Ernteausfällen und Wasserknappheit ausgesetzt. Hierzu könnt ihr in Kürze mehr im Bericht über das Fairtrade Projekt nachlesen.
Unberechenbarer als Taifune ist eine andere Naturgewalt, die aufgrund der Lage am pazifischen Feuerring seit jeher zum Alltag auf den Philippinen gehört: Erdbeben. Täglich werden mehrere Beben in verschiedenen Teilen des Archipels registriert und erst letzte Woche wurde auch ein starkes Erdbeben in Olongapo verzeichnet.
Verkehrsentwicklung
Was mir nach der Ankunft am Flughafen in Manila direkt ins Auge sticht, ist der immense Verkehr, der sich in den vergangenen 10 Jahren insbesondere durch die extreme Zunahme an PKWs nochmal drastisch intensiviert hat. Die meisten Familien der oberen Mittelschicht besitzen nun ein eigenes Auto – häufig handelt es sich dabei um Landrover oder SUVs. Kleine Autos finden sich im philippinischen Verkehr kaum. Das führt insbesondere auf den Straßen in ländlichen Regionen zu absurden Situationen, bspw. wenn zwei große Autos nicht aneinander vorbeikommen und sich so lange Schlangen aus Tricycles hinter den für die Straßen überdimensionierten Gefährten bilden. Die verdunkelten Scheiben der PKWs machen die Kommunikation von anderen Verkehrsteilnehmenden durch Blickkontakt mit den Autofahrenden unmöglich. Dies ist eine interessante Entwicklung, denn eigentlich funktioniert die Verkehrsregelung mit anderen Verkehrsteilnehmer*innen wie Jeepney-Fahrer*innen, Tricycle-Fahrer*innen, Fußgänger*innen überwiegend per Blickkontakt.
Um den Verkehr auf den verstopften Straßen zu entlasten, gibt es bspw. in Manila auf dem Pasig River kostenlose Fähren, die verschiedene Stadtteile miteinander verbinden. In Manila ist auch die Metro ein gutes Mittel, um Staus zu umgehen, allerdings deckt diese nicht alle Stadtteile ab.
Ein ganz neues Verkehrsmittel hat sich in den vergangenen Jahren neben Jeepneys, Tricycles, Bussen, LKWs, Motorrädern und Rollern in Höchstgeschwindigkeit etabliert: Fahrräder! Häufig gibt es für diese neuen Verkehrsteilnehmer*innen keine separate Infrastruktur wie Radwege und so mischen sich die Rennrad- und Mountainbikefahrer*innen in das bunte Treiben auf den philippinischen Straßen. Grund für die rasante Ausbreitung dieses Verkehrsmittels ist unter anderem die Covid19-Pandemie, während der die Massentransportmittel wie Jeepneys lange Zeit stillstanden und aus Angst vor Ansteckung später auch ungern genutzt wurden. In dieser Zeit wurden in einigen Stadtteilen Manilas in Rekordtempo kilometerlange Radwege gebaut und so haben die Radfahrer*innen bspw. in Makati oder Pasay bereits die Möglichkeit, auf einem eigenen Fahrstreifen durch die Stadt zu düsen.
Wohnen & Bauen
Eine weitere Veränderung insbesondere für die obere philippinische Mittelschicht sind Siedlungen aus Fertighäusern im Ein- oder Mehrfamilienstil, die auf vielen freien Flächen aus dem Boden zu sprießen scheinen und bspw. als sogenannte „Fiesta Communities“ bezeichnet werden. Diese Siedlungen sind wie kleine Städte aufgebaut, meist gibt es Fitnessstudios, Supermärkte und Cafés bzw. Restaurants für die Bewohner*innen.
Insbesondere in Manila ist ein regelrechter Bauwahn zu spüren: große Baustellen prägen das Stadtbild und vor allem im reichen Stadtteil Makati werden teilweise riesige Gruben für immer noch höhere Wolkenkratzer ausgehoben. Reglementierungen gibt es kaum, aber auf touristischen Hotspot Inseln wie Siargao gibt es bspw. ein Gesetz, das regelt, dass man nicht näher als 50 Meter an den Strand bauen darf und für ausländische Investoren gibt es bürokratische Hürden.
US Army
Bereits 1982 startete PREDA eine Kampagne zur Schließung amerikanischer Militärstützpunkte auf den Philippinen, da deren Existenz den Aufbau und Erhalt der Sexindustrie in der Gegend rund um PREDA zur Folge hatte. Zehn Jahre später war es so weit: die US-Marine verließ das Land, die Stützpunkte wurden geschlossen. Nun scheint es, als würde die US Army ihre Präsenz auf den Philippinen wieder ausbauen zu wollen, um die strategische Präsenz gegenüber Taiwan auszubauen und damit ein Signal an China zu senden. Da sie per Gesetz keine eigenen Stützpunkte mehr auf den Philippinen haben dürfen, mieten sie sich nun als Gäste in philippinischen Militärgebäude ein. Erst Anfang Februar wurde ein entsprechendes Abkommen zwischen den Philippinen und den USA abgeschlossen. Shay Cullen veröffentlichte einen entsprechenden Artikel dazu, dessen deutsche Übersetzung bald hier zu lesen ist.
Rückkehr zu PREDA
Vieles verändert sich in einem Jahrzehnt, verschiedenste gesellschaftliche und politische Entwicklungen konnte ich beobachten – und doch fühlt sich die Rückkehr zu PREDA und nach Olongapo City auch ein bisschen wie nach Hause kommen an.